Netzneutralität selbstgebaut

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Die Debatte um den möglichen Fall der Netzneutralität ist in aller Munde. Warum die Telekommunikationskonzerne sie kippen wollen habe ich ja hier schon begründet. Dass wir das verhindern wollen ist auch klar. Aber ob wir es verhindern können ist fraglich. Also ist mal wieder die Eigeninitiative Vieler gefragt.

Die Grundstruktur des Internets setzt auf Netzneutralität. Man spart sich den Aufwand Pakete genauer anzuschauen und routet sie entsprechend der IP, an die sie gehen sollen. Dabei kennen Router meist einige IPs oder Bereiche von IPs zu denen die Pakete geschickt werden können und routen alle anderen Pakete zu gewissen Default-Routen. Diese äußerst einfache Technik reicht im Prinzip aus, um das Internet zu betreiben. Natürlich gibt es bei modernen Routern auch sehr ausgefeilte Konzepte, um Pakete auf kürzeren und schnelleren Wegen ans Ziel zu bringen, aber es tut an dieser Stelle nichts zur Sache, ob man weiß wie das genau abläuft. Für ein Netz wie das Internet brauchen wir also einige Router und Datenverbindungen dazwischen.

Die Aktuelle Struktur ist so, dass eine Verbindung mit geringer Bandbreite (z.B. ADSL) zu einem Knotenpunkt des Providers geht. Dieser Routet die Pakete über Glasfserkabel mit hohen Bandbreiten zu einem Knotenpunkt an den der Webserver angeschlossen ist. Da wir nur die eine Leitung zum Provider haben hat uns dieser in der Hand: Tun wir etwas unliebsames oder zahlen nicht genug kann er uns die Verbindung kappen, drosseln oder einen Teil der Pakete herausfiltern. Außerdem hat dieser Provider alle Rohdaten zu unserem Internetverkehr, was Ideen wie Vorratsdatenspeicherung erst ermöglicht.

Als Piraten sehen wir den Netzanschluss als Grundversorgung. Er ist eine Infrastruktur die für jeden Menschen verfügbar sein muss, damit sich jeder Einzelne über das Netz Informationen beschaffen kann, kommunizieren kann, Informationen bereitstellen kann, an Online-Demokratie teilnehmen kann, etc. Wir wünschen uns also eine Infrastruktur bei der wir nicht einem einzelnen Anbieter ausgeliefert sind.

Bauen wir unser privates Netz

Technik um IP-Daten zu übertragen ist uns allen bekannt. Wer das liest hat meist einen Router mit W-Lan in der Wohnung und vielleicht schon mal selbst ein Netzwerkkabel verlegt. Genau diese Technik können wir werwenden, um uns ein Netz aufzubauen, bei dem jedem von uns ein kleiner Teil der Infrastruktur gehört.

Natürlich haben wir keine Garantie, dass andere Netzteilnehmer ihre Infrastruktur immer verfügbar halten. Deswegen muss dieses Netz sehr engmaschig werden, damit es immer eine ganze Reihe von Ausweichknoten gibt, falls mal ein Knoten ausfällt. Ein so aufgebautes Netz nennt man Meshnetz und der Aufbau einer solchen Infrastruktur wird seit einiger Zeit von der Freifunk-Community voran getrieben.

Freifunk nutzt standardmäßig günstige W-Lan-Router, um diese per W-Lan zu vernetzen. Das funktioniert sehr gut in Städten, wo genug Freifunkter zusammen kommen und die Router jeweils das W-Lan einiger benachbarter Router empfangen. Falls die Distanz zu groß wird kann manchmal mit Richtantennen eine Funkverbindung aufgebaut werden. Freifunk bietet Workshops an, um diese Antennen einfach kostengünstig selbst zu bauen.

Ein Problem der Funkverbindungen ist jedoch ihre geringe Bandbreite. Ein W-Lan-Modul eines Routers kann selten erheblich mehr Bandbreite liefern, als ein Anschluss z.B. per DSL. Das ist auch in so fern tragisch, da über das Mesh-Netz nicht nur der eigene IP-Verkehr geht, sondern auch Transit-Pakete aus anderen Teilen des Netz. Gebraucht werden würde eigentlich eine enorm schnelle Verbindung zwischen allen Netzknoten, damit auch Transit mühelos in der enormen Bandbreite untergeht.

Die Lösung dafür sind Kabel. Während über W-Lan meist ca. 40MBit transferiert werden können, schafft ein haushaltsübliches Twisted-Pair-Kabel schon 1000MBit. Mit Glasfaser ist da deutlich mehr möglich. Wenn ich meinen Garten neu gestalte, sollte ich also die Gelegenheit nutzen ein Kabel zum Nachbarn zu legen, um schon mal eine schnelle Verbindung zu haben. Das ist auch völlig legal und eigentlich sogar eine gute Idee. Wenn die Straße vorm Haus aufgegraben wird sollte ich dort eigentlich auch direkt ein Kabel hinein legen. Wenn das nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion geschieht, wird das allerdings vermutlich ein großer Verwaltungsakt (den es nicht geben sollte. Hier ist politisches Umdenken gefragt, da so ein Kabel in der Straße eigentich keinen stört). In England haben frustrierte Rentner auf dem Land, die keinen vernünftigen Netzanschluss bekommen haben, das Problem selbst in die Hand genommen und Kabel durch ihre Vorgärten gelegt.

Viertel oder Straßenzüge, die sich selbst vernetzen haben auch marktwirtschaftlich potential. Durch den Ausbau mit der eigenen Hand entfällt für Provider der teuere Ausbau bis zum Haus. Stattdessen können Provider ein für sie lohnendes Angebot für den Anschluss des Vorgartennetzes deutlich unter dem normalen Preis machen, weil sie die Anschlusskosten nicht mit einrechnen müssen.

Ein Beispiel: Eine Straße mit 10 Häusern mit je 2 Parteien baut ihr eigenes Netz. Normalerweise würden alle 20 Parteien 30€ pro Monat für ADSL mit 50MBit downstream ausgeben. Im Idealfall würde der Provider am Zugangsknoten dafür mindestens 1000MBit zur Verfügung stellen. Wenn die Community nur einen leichten Rabatt für die gesparten Anschlusskosten heraus schlägt und 500€ statt 600€ zahlt, zahlt schon mal jeder in der Straße knapp 17% weniger für sein Internet. Dafür haben aber alle einen Anschluss mit maximal 1000MBit statt 50MBit. 50MBit sind es nur, wenn alle synchron die Leistung voll auslasten. Wenn z.B. spät nachts nur einer die Bandbreite nutzt, hat dieser 1000MBit zur Verfügung. Außerdem können jetzt alle in der Straße schnell Daten austauschen, ohne den Provider dafür bezahlen zu müssen. Vom internen Datenverkehr bekommt dieser gar nichts mit.

Besonders interessant wird es, wenn ein Nachbarschaftsnetz mehr als einen Provider für die Verbindung zum Rest des Internets nutzt. Dann addiert sich nicht nur die Bandbreite der Provider-Anschlüsse, sondern es wird auch immer schwerer die Internetaktivitäten der Nutzer zu überwachen. Interessant ist das z.B. mit einem Proxy-Server im Nachbarschaftsnetz, da die Provider dann nicht zuordnen können wer aus dem Netz welche Anfrage geschickt hat.

Ich jedenfalls freue mich über jeden neuen Router im Freifunk-Netz. Und wenn mal jemand die Chance sieht sich per Kabel zu vernetzen: Tue es!